Vor vielen Jahren fand ich bei einer Tagung auf einem Stuhl im Andachtsraum folgendes Faltblatt ungenannten Ursprungs mit Gedanken, die mein Verständnis von „Engeln“ verändert und nachhaltig geprägt haben:
Du fragst, ob ich an Engel glaube.
Lass mich so antworten: Ich glaube, dass unsre Welt nicht „Gott los“, sondern „Gott voll“ ist.
Ich und Du, wir alle können in großen und kleinen Erfahrungen schmecken und sehen: der geheimnisvoll ferne Gott ist uns freundlich nahe.
Weil das so ist, bleiben wir nicht stecken in den Sackgassen unsres Wesens. Der geheimnisvoll ferne Gott ist uns freundlich nahe, öffnet uns immer wieder Türen und Wege ins Weite, uns allen, mir und Dir.
Ich sehe Dich, während Du das liest, das Gesicht verziehen über die Kunst der Theologen, sich um klare Antworten zu drücken. Also will ich mit ein paar Gedanken deutlich machen, warum ich so antworte.
Die Bibel beschreibt die Größe und Herrlichkeit Gottes manchmal mit Bildern, die der Palast eines Königs bot: Der himmlische Thronsaal, eine unzählige Dienerschar, die das Lob des Höchsten singt. Diese Engel werden beschrieben als Wesen mit Flügeln, feurig lodernde Gestalten – Bilder für das Geheimnis Gottes, der in einem Licht wohnt, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann.
Glaube an Engel könnte ein zu viel wissen wollen sein. Darum bin ich so vorsichtig.
Daneben ist aber in der Bibel immer wieder von Engeln Gottes die Rede, die auf die Erde kommen.
Sie sind das, was das Wort Engel eigentlich bedeutet: Boten. Sie überbringen eine Botschaft, helfen, trösten, befreien. Sie treten ganz hinter ihrem Auftrag zurück. Darum werden sie nicht beschrieben, höchstens ihr Gewand, brauchen keine Flügel, kommen ganz menschlich daher. Auch Winde macht Gott zu seinen Boten, nichts, das er nicht zu seinem Engel machen könnte.
Engel, das sind die tausend Möglichkeiten Gottes, uns aufmerksam zu machen für die Tiefe und Weite des Lebens, uns Einsichten und Wege zu öffnen, zu helfen, zu trösten, zu befreien. Es geht um das Wirken des geheimnisvoll fernen Gottes in unsrer Welt, das wir erfahren können.
Dir ist wie mir ein wichtiges Lied Bonhoeffers Von guten Mächten wunderbar geborgen. Es ist ein Lied von den Engeln Gottes. Und weißt Du auch, wie er sie seiner Braut in einem Brief aus dem Gefängnis näher beschreibt?
„Du, die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt. … Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: „zweie die mich decken, zweie, die mich wecken“, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.“
Ob ich an Engel glaube? Ich bin dankbar für die guten, unsichtbaren Mächte Gottes, die mein Leben bewahrt haben bis heute.
Gerade in dunklen Tagen will ich mich daran erinnern – immer neu.