Erinnerungen an eine Christmette vor Corona in der Hoffnung darauf, möglicht bald zu einer solchen Form der Feier wieder zurückkehren zu können
Zur Erklärung: Bei der Christmette war bei uns der Kirchenraum nur vom Licht der Kerzen, die die GottesdienstbesucherInnen am Eingang an einer von zwei großen Kerzen entzündeten – die Erklärung dazu erfolgt innerhalb der Predigt! – und mit in die Bänke nahmen, auch um damit ihr Liedblatt lesen zu können, mit den Kerzen auf dem Christbaum und auf dem Altar und mit dem Licht des Herrenhuter Weihnachtssterns über dem Altar erleuchtet.
Es ist schon eine ganz besondere Stimmung: Heiligabend bei Kerzenschein.
Aber eines ist dabei auch sicher: An der Tatsache, dass jetzt Nacht ist, können wir trotz all der Kerzen, die wir in den Händen halten, nichts ändern. Aber wir könnt mit diesen Kerzen verhindern, dass sich die Dunkelheit nach ihrem Belieben über uns, neben uns, unter uns ausbreitet und sich so letztendlich unser bemächtigt. Mit diesen Kerzen haben wir etwas gegen die Dunkelheit in der Hand, damit nicht die Dunkelheit uns in der Hand hat. Es ist wie ein Wunder: Dieses kleine, unscheinbare Licht in unseren Händen zeigt der großen, scheinbar alles umfassenden Dunkelheit machtvoll ihre Grenzen auf. Natürlich würden wir in einer hell erleuchteten Kirche viel in ihr Existierendes besser sehen und wahrnehmen können, nur eines eben nicht mehr: Die Dunkelheit der Nacht, die ja dennoch für uns da ist, auch wenn das helle Licht sie für uns unsichtbar macht.
Deshalb ist es schon gut so, wie es ist, dass wir beide Pole, zwischen denen unser Leben Gestalt gewinnt, sehen und wahrnehmen können: Die Dunkelheit und das Licht.
Denn, und das sollten wir bei aller Weihnachtsfreude nicht vergessen, auch die Heilige Nacht war eine dunkle Nacht.
Aber zugleich eine Nacht, in der die menschliche Dunkelheit durchbrochen wurde durch ein Licht, das dieser Dunkelheit ihre End-Gültigkeit genommen hat. Genau darum geht es an Weihnachten.
Gott nimmt mit Weihnachten unserer Dunkelheit ihre End-Gültigkeit. Das hat er ja schon einmal gemacht, damals, als er in die Finsternis hinein das Licht schuf. Wohlgemerkt, er hat, wie wir zu Beginn der Schöpfungsgeschichte lesen können, die Finsternis dadurch nicht abgeschafft, sondern er hat ihr Grenzen gesetzt durch das Licht. Denn beide sind für uns notwendige Bestandteile unseres Lebens, durch die sich unser Leben entwickelt, an denen es reift: Licht und Dunkelheit.
Und sie hat bei uns viele Gesichter, diese Dunkelheit.
„Ich lag in tiefster Todesnacht“ – so beschreibt sie der Dichterpfarrer Paul Gerhardt. Wenn wir diese Worte lesen oder singen, haben wir sehr schnell Bilder vor Augen, in denen sich unsere ganz persönlich erlebten Dunkelheiten konkretisieren: Momente der Ohnmacht, des Leids, der Scham. Aber das ist nur die eine Seite unserer Realität, in der wir leben. Und die andere Seite?
„Du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne.“
Die Glaubenserfahrung: Ich bin nicht allein. Ich bin all den Dunkelheiten meines Lebens nicht hilflos ausgeliefert. Da ist einer, der sich meiner annimmt mit allem, was zu mir gehört, also auch mit meiner Ohnmacht, mit meinem Leid, mit meiner Scham, einer, bei dem ich mich geborgen fühlen darf.
Das ist die Botschaft jenes Mannes, dessen Geburt wir heute feiern. Er hat uns Menschen die Augen geöffnet für eine andere, neue Sichtweise Gottes als des gnädigen, uns in Liebe annehmenden Gottes.
Im 2. Korintherbrief schreibt Paulus dazu:
„Gott, der sprach: Licht aus der Finsternis soll hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Durch Jesus Christus, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, hat Gott uns einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, unseren Glauben, unser Vertrauen auf seine unverbrüchliche Liebe; eine Gewissheit, Dank derer wir letztlich den schweren Erfahrungen in unserem Leben standhalten können.
Das ist das eine, woran Paulus uns erinnern will.
Und das andere:
Wir sollen diesen hellen Schein, dieses Licht von Weihnachten nicht in unserem Herzen einschließen, indem wir dieses Licht der Liebe Gottes nur für uns behalten und in uns gleichsam aufsaugen wie ein schwarzes Loch, das alles Licht an sich zieht und nichts mehr davon hergibt. Wir sollen dieses Licht weitergeben, damit auch die Menschen, die uns begegnen, durch uns „zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes“, seiner Liebe gelangen, auch und gerade dann, wenn sie Dunkelheit in ihrem Leben erfahren.
Aber was erwartet er damit konkret von uns?
Können durch uns andere Menschen zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes kommen? Überschätzt er uns da nicht?
Was Paulus von uns erwartet, lässt sich sehr einfach mit diesem Kerzen-Leuchter (hier handelt es sich um das später erklärte „Licht von Bethlehem“) sichtbar und erkennbar machen:
Das Licht ist mit und durch Jesus Christus an Weihnachten auf die Welt gekommen. Er ist das Licht der Welt.
Wir brauchen gar nicht selbst zum Licht werden. Wir sollen dieses Licht nur weitergeben und dadurch seine Wirkung vervielfachen.
Das geschieht ja bereits ganz praktisch in diesem Gottesdienst. Unsere Kerzen haben alle ihr Licht von einer Flamme, dem Licht von Bethlehem, das ursprünglich in der Geburtsgrotte in Bethlehem entzündet und per Flugzeug nach Europa gebracht worden ist. Mit Hilfe von Zügen wurde es in ganz Europa verteilt. Die katholischen Pfadfinder von St. Bonifatius haben es in diesem Jahr auf einem der Kontaktbahnhöfe abgeholt, bis heute bewahrt und dann unseren Pfadfindern weitergegeben, die es zur Christvesper in unsere Kirche gebracht haben, von wo viele Gottesdienstbesuchende es mitgenommen haben. Zwei Kerzen haben wir zu diesem Gottesdienst am Brennen gehalten, dami an ihrer Flamme wiederum die Kerzen für diesen Gottesdienst entzündet werden konnten.
Alle unsere Lichter stammen also von dieser einen in Bethlehem entzündeten Flamme. Sie wurde uns über viele Stationen weitergegeben und jetzt ist es an uns, sie weiterzugeben, ganz praktisch, was heute Abend nicht mehr ganz so einfach sein wird wegen des Windes draußen – weitergegeben aber eben auch im übertragenen Sinne:
Das Licht von Bethlehem, das Licht, das Gott durch Jesus mit dessen Botschaft von der unendlichen Liebe Gottes zu uns Menschen in dieser Welt entzündet hat, dieses Licht sollen wir durch unsere Lebensweise, durch unseren Umgang miteinander und mit der gesamten Schöpfung nur weitergeben. Mehr wird von uns nicht erwartet!
Gott hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, damit es auch durch uns hell werden kann bei unseren Mitmenschen hier und überall auf der Welt angesichts der froh machenden Botschaft vom Kind in der Krippe. Das mutet uns Gott mit Weihnachten nicht nur zu: Er traut es uns auch zu!
Deshalb: Gelobet seist du, Jesus Christ, dass du Mensch geboren bist! Kyrieleis!