Wie mit dem Tod eines lieben Menschen leben?
Die Dichterin Mascha Kaléko schreibt zum Schluss ihres Gedichts „Memento“:
Bedenkt, den eigenen Tod den stirbt man nur,
doch mit dem Tod des anderen muss man leben.
Genau das ist es, was uns Zurückbleibenden das Weiterleben so schwer, was uns Angst macht, sprachlos, leer, starr vor Traurigkeit, zukunftsfern.
Dass der Tod eines uns lieben Menschen uns förmlich den Boden unter den Füßen wegzieht.
Sich bewusst zu machen, zu wissen, dass wir lernen müssen, damit künftig zu leben, und uns dem jedoch zugleich wiederum verweigern, weil wir diesen unsagbar großen Verlust einfach nicht hinnehmen, akzeptieren wollen. Was hatten wir nicht noch alles für die Zukunft geplant! Zusammen werden wir es nicht mehr realisieren können. Das sich eingestehen zu müssen scheint im Moment unmöglich.
Wie mit dem Tod des anderen leben?
Es gibt Bilder, die uns trösten, wenn wir sie uns anschauen – etwa Fotos von gemeinsam Erlebtem, Bilder, die bei uns Erinnerungen am Leben halten; Bilder, die eine intensive Verbindung herzustellen vermögen zwischen dem, was wir auf ihnen sehen und dem, was wir nach wie vor durch sie in uns drinnen erfühlen können.
Ich will da noch ein anderes Bild aus meinem inneren Fotoalbum dazulegen, das zu „verbildlichen“ vermag, wie wir den Tod eines anderen vielleicht ein wenig besser zu leben vermögen:
Als meine jüngste Tochter sich aufmachte, alleine 300 km auf dem Jakobsweg bis nach Santiago zurückzulegen, machte ich mir schon ein wenig Sorgen, ob das wohl gut geht, eine junge Frau so allein, zu Fuß, durch Berge und Täler, Wiesen und Wälder.
Als sie mir dann jedoch mitteilte, dass sie eine kleine Gruppe kennengelernt habe, mit der sie jetzt gemeinsam unterwegs sei, war ich beruhigt.
Einige Tage später erkundigte ich mich nach dieser Gruppe.
„Weißt Du, die sind gestern etwas früher losgelaufen als ich. Die sind schon zwei Dörfer weiter. Aber in Santiago treffen wir uns wieder.“
Auf demselben Weg, mit demselben Ziel, nur halt zwei Dörfer weiter.
Ein schönes Bild, eine tröstliche Vorstellung, so an und über unsere Toten denken zu können: Sie sind und bleiben auf demselben Weg wie wir; auf jenem Weg, den wir gemeinsam mit ihnen begonnen und ein Stück weit zurückgelegt haben. Nur sind sie jetzt schon „zwei Dörfer weiter“.
„Aber in Santiago sehen wir uns wieder!“
Ein Bild der Hoffnung, das uns zu helfen vermag, ein wenig besser die Leere und die Trauer aushalten, „mit dem Tod des anderen leben zu können.“
Ob dies alles nur ein „frommer Traum“ ist?
Seit Ostern zumindest ein berechtigter „frommer Traum“ für uns. Eine Hoffnung, die uns die Möglichkeit eröffnet, angesichts der Realität des Todes in unserer Welt davon zu sprechen und darauf zu vertrauen, dass der Tod uns wohl die Unmittelbarkeit des miteinander Unterwegsseins nehmen kann, aber nicht das Leben, das in Gottes Hand ist und bleibt und das so auch durch den Tod hindurch mit uns unterwegs bleibt auf demselben Weg wie vorher, nur halt „zwei Dörfer weiter“.
Und dann auch noch die Hoffnung: „In Santiago treffen wir uns wieder!“
Am Ende unseres Weges!
Wo das sein könnte?
Ein weiteres „Traum-Bild“ der Hoffnung versucht diesen Ort zu veranschaulichen:
„Irgendwo da oben, über dem Regenbogen, ganz weit oben …….“
„Somewhere over the rainbow“