Dieser Text entstand vor der Corona-Pandemie, durch die wir in schmerzlicher Weise die Erfahrung von „verordneter“ Abwesenheit körperlicher Nähe selbst angesichts des Todes machen müssen. Er soll unmittelbar vom Tod eines lieben Menschen betroffene Trauernde dazu ermutigen, am Grab, sobald dies wieder möglich ist, „Zeichen der Nähe“ durch Mittrauernde zuzulassen und auch als tröstend zu empfinden.
Seit Jahren stelle ich fest, dass immer häufiger am Ende von Todesanzeigen der Satz zu finden ist:
Von Beileidsbezeigungen am Grab bitten wir Abstand zu nehmen.
Ich habe Respekt vor den Wünschen von Trauernden
und Verständnis für all ihre Ängste und Bedenken im Bezug auf die Situation am Grab.
Jede Trauer hat ein Anrecht auf geschützte Räume.
Dabei sollten diese Trauernden jedoch eines nicht vergessen:
Gerade in solch einem schweren Moment des Abschieds tut es gut,
zu erfahren:
Da gibt es um mich herum Menschen,
die mich in meinem Schmerz nicht alleine lassen,
die mir zur Seite stehen und mich ihre Anteilnahme fühlen lassen wollen
durch einen stillen Händedruck,
durch einen liebevollen Augen-Blick,
durch eine kurze Umarmung,
durch ein mitfühlendes Wort –
Menschen, von denen ich das vielleicht nie erwartet hätte.
Trauer vermag Menschen zu tiefer innerer Begegnung zu öffnen,
die stärkt, ermutigt, tröstet –
gerade auch an einem Grab.
Ich möchte deshalb dazu ermutigen:
Lassen Sie sich als Trauernde nicht dieses Geschenk mitmenschlicher Anteilnahme nehmen
und nehmen Sie Anteilnehmenden bitte nicht ohne besondere persönlichen Gründe die Möglichkeit,
Ihnen diese zu zeigen
aufgrund einer vielfach leider mehr und mehr zur Mode werdenden Bitte um Distanziertheit –
und das ausgerechnet gerade an dem Ort,
an dem wir vornehmlich tröstende und tröstliche Nähe brauchen.