Über den Bund mit Gott und den Bund mit Menschen
Der Bund Gottes mit uns Menschen und was dieser Bund für uns Menschen an Bereicherung und innerem Halt bedeuten kann und welch geringe Wertschätzung wir Menschen unsererseits oftmals diesem Bund Gottes entgegenbringen, diese dramatische und oftmals auch tragische Thematik durchzieht die gesamte Bibel die wie ein roter Faden. Ich könnte auch sagen: Wir lesen dort von der Geschichte der Menschenwilligkeit Gottes und der Gottesunwilligkeit der Menschen. Oder noch anders: Es ist die Geschichte der unglaublichen, unendlichen Liebe Gottes zu uns Menschen einerseits und unserer menschlichen Begrenztheit, dieser Liebe in unserem Lebensvollzug genügend zu trauen und Ausdruck zu verleihen, andererseits.
Damit entschuldigt die Bibel nicht sich ereignende Lieblosigkeit unter uns Menschen, sondern sie will uns vielmehr durch ihr Zeugnis von der Liebe Gottes, die seiner gesamten Schöpfung ungeteilt gilt, dazu ermutigen, dieser Liebe immer neu zum Durchbruch zu verhelfen, und zwar egal, ob wir nun dafür geliebt werden oder nicht.
Der Bund Gottes mit uns Menschen – berechtigterweise könnte jetzt jemand einwerfen, dass es im ersten Teil der Bibel ja eher um den Bund Gottes mit seinem Volk Israel geht:
Das Alte Testament – der „alte“ Bund Gottes mit seinem auserwählten Volk und seinen Regeln, Normen und Riten.
Dies hat sich durch Jesu Botschaft grundlegend geändert. Für uns hat zunächst einmal das Neue Testament seine Gültigkeit, die Botschaft vom „neue“ Bund Gottes, der nun nicht mehr nur beschränkt ist auf Gottes auserwähltes Volk, sondern die ganze Welt einbezieht:
„So sehr hat Gott die Welt geliebt,“ (Joh 3,16)
Dieser neue Bund steht aller Welt offen. Und niemand hat das Recht, Menschen, die sich auf diese Liebe Gottes einlassen und auf sie ihr Vertrauen setzen, zu marginalisieren oder gar aus diesem Bund auszuschließen.
Übrigens schon etwas Unglaubliches, was die Bibel uns da verkündigt: Der große Gott ist bereit, mit uns schwachen, fehlerhaften Menschen, seinen Geschöpfen, einen Bund einzugehen, sich an uns zu binden, und gesteht uns zugleich die Freiheit zu, unsererseits diesen Bund mit ihm einzugehen oder dies eben auch zu lassen.
Es ist unsere Entscheidung, ob wir „mit ihm im Bunde“ leben wollen oder nicht. Nur: Wenn wir es wollen, wenn wir uns in Freiheit an ihn binden, dann erwartet er von uns auch Verbindlichkeit, dass wir zu diesem Bund stehen, nach innen und nach außen, dass wir uns von ihm zu BotInnen seiner Liebe, die keine Grenzen kennt und akzeptiert, machen lassen.
Für uns ChristInnen ist das äußere Zeichen für diesen Bund die Taufe, ein Zeichen, das für uns jedoch ohne Bedeutung bleibt, wenn es in unserem Glaubensleben keine innere Entsprechung findet.
Und selbst wenn wir uns auf diesen Bund mit Gott einlassen, werden wir immer wieder spüren, dass das Vertrauen auf diesen Bund oftmals unsere Wege, auf die das Leben uns bringt und die wir oft auch nicht so genau kennen, nicht einfacher macht; dass wir an ihm oder an uns zweifeln; dass wir kraftlos werden; dass wir uns nichts mehr zutrauen.
Als Mose den Auftrag erhielt, das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten zu befreien, da fragte er Gott nach seinem Namen, und der gab ihm zur Antwort: „Ich bin Jahwe.“ Übersetzt: Ich bin der „Ich werde sein“ – der „Ich werde da sein“. (2. Mose 3,14)
Sein Name ist Programm. Egal, was Dir auch immer begegnen mag, egal, wie Dir Menschen auch immer begegnen mögen, egal, was auch immer Dein Leben verdunkeln wird: „Ich werde da sein!“ Verspricht er.
Die biblische Form, wie Menschen diese ermutigende Zusage Gottes ganz direkt und persönlich – unter Handauflegung – zugesprochen bekommen, ist der Segen.
„Ich werde für dich da sein.“
In der Gewissheit dieser Zusage bekennt der Verfasser des 23. Psalms:
„Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich.“
So bekam der Segen auch für uns ChristInnen seine besondere, lebensnotwendige Bedeutung.
„Ich werde für dich da sein.“
Der Segen zum Anschluss jeder Andacht und jedes Gottesdienstes.
Der Segen bei der Taufe, bei der Erstkommunion, der Konfirmation, der Firmung.
Der Segen bei Krankheit und Sterben.
Und dann eben auch der Segen für gemeinsame neue Wege:
Für Pilgergruppen, Mitarbeitende, als Reisesegen zum Abschluss von Tagungen oder Treffen.
„Möge Euch Gottes Nähe und Zusage begleiten auf Eurem Weg, den Ihr nun jeder und jede für sich oder auch gemeinsam gehen mögt.“
„Ich werde da sein, wenn Ihr mich braucht.“ – Der Segen bei der Trauung, bei jenem Bund, den Menschen miteinander eingehen.
Auch bei diesem „Bund“ geht es darum, dass sich zwei Partner in Freiheit aneinander binden, um in verbindlicher Gemeinschaft miteinander ihre gemeinsame Zukunft zu planen und zu gestalten. Bei der Trauung bitten sie um Gottes Beistand und Begleitung für diesen künftigen Weg, der so mancher Gefährdung ausgesetzt sein wird. „Ja, mit Gottes Hilfe“, lautet die Antwort auf die Traufragen bei uns Evangelischen.
Die sichtbare und spürbare Zusage seiner Begleitung und Hilfe ist der Segen, der über dem Paar gesprochen wird.
Entsprechend der Ehe hat der Gesetzgeber mittlerweile die Möglichkeit geschaffen, dass nun auch gleichgeschlechtlich Liebende miteinander einen „Bund“ eingehen können, in dem sich zwei Partner oder Partnerinnen in Freiheit aneinander binden, um in verbindlicher Gemeinschaft miteinander ihre gemeinsame Zukunft zu planen und zu gestalten.
Als ChristInnen bitten sie ebenfalls Gott um seinen Beistand und seine Begleitung für diesen künftigen gemeinsamen Weg, der ebenfalls so mancher Gefährdung ausgesetzt sein wird. Und auch sie sind bereit, mit ihren Worten öffentlich zu bestätigen, dass sie für diesen Weg der Hilfe Gottes bedürfen und dass sie auf sie vertrauen.
Ich müsste nun wiederholen, was ich vorher bereits gesagt habe: Die sichtbare und spürbare Zusage seiner Begleitung und Hilfe ist der Segen, der über dem Paar gesprochen wird.
Aber genau dies stößt trotz befürwortender Beschlüsse mittlerweile aller evangelischen Landeskirchen bei noch vielen Angehörigen und Vertretern der Kirche Jesu Christi, die in konfessionsverschiedener Einheit die Sache Gottes auf Erden zu vertreten hat, nach wie vor auf Unverständnis und Ablehnung. Wenn ich daran denke, mit welcher Großzügigkeit der Segen Gottes an anderen Stellen förmlich verschleudert wird, fehlt mir für diese Grundeinstellung jegliches Verständnis.
Singen wir nicht immer wieder voller Freude mit:
„Keiner kann allein Segen sich bewahren, weil du reichlich gibst, müssen wir nicht sparen.“ (EG 170)
Es geht hier nicht um Segensökonomie, sondern um eine Wertung, um eine fehlende Wertschätzung von Menschen und ihren ureigensten religiösen Bedürfnissen. Und ich frage so Denkende sehr direkt:
Ist Euer Denken, ist Euer Bekenntnis dagegen mit der Botschaft von der unendlichen, grenzenlosen Liebe Gottes zu uns Menschen, mit seinem Bundeswillen zu vereinbaren?
Ich bin überzeugt: Wer für sich oder für Wege des Miteinanders Gottes Segen ernsthaft sucht, wird ihn finden – auch heute, auch bei uns, weil Gottes Segen sich schon selbst seine Wege bahnt, um Gottes Liebe willen.