Apg 02, 41a.42-47
Über die Urgemeinde lesen wir:
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teiltensie aus unter alle, je nach dem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.
Der erste öffentliche Auftritt der Apostel an Pfingsten war ein voller Erfolg. Besser hätte es gar nicht laufen können für sie und für ihre Botschaft! Da predigt Petrus zum ersten Mal begeistert und ohne jede Scheu von Jesus als dem Messias, dem Christus, und sofort lassen sich, so zumindest berichtet es uns der Verfasser der Apostelgeschichte, etwa 3000 Menschen taufen. Sie alle wollen dazugehören. Ausgerechnet zu dem, der noch vor wenigen Wochen am Kreutz hingerichtet elendiglich und verachtet gestorben war.
Aufbruchsstimmung griff um sich und immer mehr Menschen schlossen sich nach Pfingsten dieser Jesusbewegung an. Und sie wuchs und breitete sich unaufhaltsam aus.
Wir hingegen erleben in unseren Tagen eher das Gegenteil, dass immer mehr Menschen der Jesusbewegung, der Kirche Jesu Christi, den Rücken zukehren und sie verlassen, weil sie sich anders orientieren oder vielleicht auch, weil ihnen genau diese Aufbruchstimmung von damals in ihrer Kirche fehlt.
Auch die junge Christenheit musste bereits diese Erfahrung machen, dass Aufbruchstimmungen sich nicht konservieren lassen. Gleichwohl hat es sie seither immer wieder gegeben in der Geschichte der Christenheit, dort, wo Menschen sich in ihrer existenziellen Erfahrung plötzlich ergriffen fühlten vom Heiligen Geist, von dieser Botschaft des Lebens. Wo Menschen aufbegehrten gegen Gottlosigkeit und Unrecht, wo sie im Lichte dieses Geistes der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit neue, unkonventionelle, oft sogar auf Widerspruch stoßende Wege entdeckten, auf denen sie zu gehen wagten und dabei andere ansteckten und mitrissen.
Weshalb sollte dies nicht auch heute möglich sein?
Wie ging es denn damals nach Pfingsten weiter?
Der Verfasser der Apostelgeschichte schreibt dazu:
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Gerade in Zeiten schwacher Begeisterung für die Kirche auf der einen und der geradezu erdrückenden Dominanz von geld- und marktwirtschaftlichen, sportlichen, arbeitsmarkt-politischen Themen auf der anderen Seite fühlen wir uns als ChristInnen mit unserem Glauben und unserer Botschaft oft eher fehl am Platze. Haben wir häufig das Gefühl, dass dieser Glaube in unserer Gesellschaft „out“ ist.
Da ist es hilfreich, zunächst einmal auf die Worte des Verfassers der Apostelgeschichte zu hören, und sich von ihm Mut zusprechen zu lassen: „Bleibt beständig! Lasst euch nicht irre machen. Bleibt in dem, was euch besonders auszeichnet und was sich bei euch im Glauben von Jesus Christus her durch alle Zeiten hindurch bewährt hat.“
Denn, und dies klingt wie ein Widerspruch in sich selbst, um aufbrechen zu können, brauchen wir Beständigkeit.
Wie hieß es da?
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Zu diesen vier Grundbestandteilen christlicher Beständigkeit sehe ich uns von diesem Bibelwort gleichsam aufgefordert:
1. Bleibt beständig in der Lehre der Apostel!
Bleibt beständig in dem, was euch durch die Apostel von der Botschaft Jesu Christi bezeugt und weitergegeben worden ist. Aber bleibt offen! Versucht zu verstehen, welche Impulse, welche Energien die Botschaft der Bibel uns heute in unserer Zeit gibt und in uns freisetzt! Denn die Lehre der Apostel, die Botschaft der Bibel ist nicht ehernes Gesetz, einmal so gesagt und für ewig so gültig, sondern sie ist Gottes lebendiges Wort, das uns immer wieder neu und oft sogar überraschend anders in unsere Gegenwart hinein anspricht und damit Neues in uns und bei uns aufbricht.
Pinchas Lapide hat dazu einmal gesagt: „Entweder man nimmt die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst.“
Es ist der Heilige Geist, der Geist des Gottes, der jedem und jeder von uns in der Taufe zugesagt ist, der uns lehrt, dieses Wort der Bibel in seiner jeweils neuen konkreten Bedeutung für uns zu verstehen und auszulegen. Dieser Geist, der uns selbstbewusst und in gewissem Sinne auch selbstständig, frei macht.
2. Bleibt beständig in der Gemeinschaft!
Christlicher Glaube ist keine Privatreligion. Er lebt vielmehr in und von der Gemeinschaft. Ein Leib mit vielen Gliedern ist die Gemeinde und Kirche Jesu Christi. So hat der Apostel Paulus diese notwendige enge Verbundenheit einmal charakterisiert. Das ist es auch, was die Kirche von jeder anderen Organisation unterscheidet: Dass sie viel mehr ein Organismus ist, der nur lebendig sein kann, wenn die einzelnen Zellen in ihm bereit dazu sind, zusammen zu leben und zu wirken. Wir brauchen einander, gerade, und das ist ja das Schöne an diesem Bild, gerade weil wir so unterschiedlich sind. Was uns in aller Unterschiedlichkeit eint, ist dieser eine Geist, der eine Gott, der eine Glaube, die eine Taufe. Nur in der Gemeinschaft der Glaubenden kann dieser Glaube leben und Kraft entwickeln.
3. Bleibt beständig im Brotbrechen!
Brotbrechen, das ist der apostolische Begriff für das „Abendmahl“, in dem gerade diese Gemeinschaft am deutlichsten zum Ausdruck kommt. Weil wir von einem Brot essen und aus einem Kelch trinken, gehören wir untrennbar zusammen, auch mit dem, der sich uns in und mit Brot und Kelch schenkt, Jesus Christus, der uns mit dem Abendmahl zugleich die Gemeinschaft deutlich macht, in der wir mit Gott stehen dürfen: Gemeinsam mit ihm an seinem Tisch. Was kann es für uns Christen und Christinnen Größeres geben!
Leider ist uns gerade diese, alle Grenzen von Konfessionen in der einen Kirche Jesu Christi überwindende Mahlgemeinschaft nach wie vor von Rom nicht erlaubt, obwohl gerade sie einer der Grundbestandteil christlicher Beständigkeit ist.
Das ist nicht Gottes Wille!
Und doch bleibt es für mich konfessionsübergreifend derselbe Tisch, an dem wir feiern, weil es Gottes Tisch ist, an den er all die Seinen einlädt, weil er es so will, sein Tisch, der auch die Grenzen umfasst, die wir Menschen aufgrund unserer Begrenztheit zwischen uns ziehen.
Gottes Mahlgemeinschaft ist ohne Grenzen, ja sogar ohne Grenzen von Raum und Zeit!
4. Bleibt beständig im Gebet.
Mit dem Gebet vergewissern wir uns täglich, ob unsere Verbindung zu Gott noch steht. Dass wir mit allem, was uns gerade bewegt, zu ihm kommen und es vor ihm in Worte fassen können. Es stimmt: Gott braucht unsere Gebete nicht. Aber wir brauchen sie. Und das nicht nur für uns selbst. Oft ist unser Gebet das Einzige und Letzte, was wir für einen anderen Menschen tun können.
Beständig mit Gott im Gebet verbunden zu sein, das tut gut und gibt Kraft. Abgesehen davon, dass es ja auch noch die Möglichkeit gibt, miteinander zu beten.
Bleibt also beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Das ist die eindrückliche Aufforderung der Apostelgeschichte an uns.
Dann besteht auch die Chance, dass sich je und je neu bei uns pfingstliche Aufbruchstimmung einstellt, so Gott will und wir es zulassen.