Kurzpredigt in einem Gottesdienst mit Aufführung der
„Misatango – Misa a Buenos Aires“ von Martín Palmeri
Bereits bei den ersten Teilen dieser „Misatango“ spürt und erlebt man es mit: Der Tango Argentino, der traditionelle wie auch der Nuevo, das ist Leidenschaft pur, voller Spannung, Temperament, Sinnlichkeit, Sehnsucht, Melancholie bis hin zu Schmerz. Eine Musik, die einfach mitreißt durch ihren Rhythmus und ihre Dynamik, zwischen leise und laut, aufwühlend zum einen und dann wiederum genauso auch beruhigend. Und deshalb bedarf es auch einer großen Portion an Bereitschaft zu Leidenschaft, wenn man den Tango musizieren, singen oder tanzen will.
„Wieviel Leidenschaft ist in mir drin? Und wieviel Leidenschaft bin ich bereit, bei mir zuzulassen?“
Gerade zum Beispiel in den Tagen einer Fußballweltmeisterschaft – so war es in den letzten Jahren immer wieder zu erleben – hat die Leidenschaft Hochkonjunktur: Leidenschaftlich wird von Fußballspielern und Publikum, auf den Fan-Meilen und beim Public Viewing die Nationalhymne mitgesungen; leidenschaftlich werden vor dem Spiel die richtige Aufstellung und nach dem Spiel die Leistungen der einzelnen Spieler oder des Schiedsrichters diskutiert und beurteilt; und leidenschaftlich kämpfen und beharken sich die Spieler auf dem grünen Rasen, manchmal sogar ohne Rücksicht auf Verluste.
Und nach dem Spiel, gerade in der KO-Runde, sind die Sieger voller Glücksgefühle und die Verlierer dafür tief traurig und am Boden zerstört.
Aber genau das gehört so zur Leidenschaft dazu, weil Leidenschaft möglicherweise in ihrer Konsequenz eben auch „Leiden schafft“. Das gilt im Fußball genauso wie in unserem menschlichen Zusammenleben.
Die coole Antwort unserer heutigen Zeit: „Weißt du, ich sehe das ganz leidenschaftslos,“ bedeutet eigentlich nichts anderes als: „Das berührt mich nicht.“
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns bei allem, wo wir aktiv sind, wo wir uns engagieren, immer wieder selbst die Frage stellen: „Wieviel Leidenschaft ist in mir drin? Und wieviel Leidenschaft bin ich bereit, bei mir zuzulassen?“
Dies gilt übrigens auch für unseren Glauben, wo es darum geht, sich berühren zu lassen von der guten Botschaft, dass Gott uns einfach schon deshalb lieb hat, weil wir seine Geschöpfe sind, und zwar so, wie wir sind, mit unseren Licht- und mit unseren Schattenseiten; dass wir darauf vertrauen, dass er es gut mit uns meint und uns auf ganz unterschiedliche Weisen hilft, uns in unserer Welt und in unserem Leben zurecht zu finden, gemäß den Gedanken von Dietrich Bonhoeffer:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
Dass wir bereit sind, Gott zu lieben und unsere Mitmenschen, mögen sie uns gegenüber auch feindlich eingestellt sein, und uns selbst mit Gottes, also mit liebevollen Augen anzublicken, die viel Hartes und Schweres bei ihnen und bei uns selbst ins Gegenteil zu verwandeln vermögen. Und genau das, das ist ohne Leidenschaft nicht möglich. Wir brauchen einen leidenschaftlichen Glauben, der uns berührt, tief in uns drinnen, der uns immer wieder zwingt, uns mit ihm auseinanderzusetzen, um ihn zu ringen, zwischen Vertrauen und Zweifel, in leidenschaftlichem Bekennen und in leidens-schaffenden Erfahrungen.
Aber auf jeden Fall: Leidenschaftsloser Glaube bringt uns nichts und versandet in der Gleichgültigkeit des Lebens.
„Wieviel Leidenschaft ist in mir drin? Und wieviel Leidenschaft bin ich bereit, bei mir zuzulassen?“
Wo sie gelingt, diese Leidenschaft im Glauben für Gott, für unsere Mitmenschen und für uns selbst, da wird es uns gehen wie jenen Mannschaften bei der WM, die gewonnen haben: Dass wir genauso wie sie leidenschaftlich froh und glücklich sind.