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„Du hältst mich bei meiner rechten Hand.“ – Psalm 73

Vom „Dennoch“ des Zweiflers (Psalm 73,23ff)

Keinem Schicksal sind wir stumm und verlassen preisgegeben. Denn das Evangelium hilft uns, ohne Angst zu leben, deiner Führung zu vertrauen und auf deinen Bund zu trauen. (BEL 592,4)

T: Detlev Block, 1978
M: Wolfgang Carl Briegel, 1687 (nach EG 161 Liebster Jesu, wir sind hier)
© Delpsche Verlagsbuchhandlung, München

Mit dieser Liedstrophe hat der mittlerweile verstorbene Dichterpfarrer Detlev Block in ganz wenige Worte gefasst, was Glaube letztlich für uns Menschen bedeutet: Die Gewissheit, unserem Schicksal eben nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern auf Gottes „Führung“ vertrauen zu können und darauf, dass er sich in Liebe unverlierbar an uns gebunden hat; dass er uns damit die Angst vor dem Leben genommen hat und vor dem Sterben, aber vor allem auch die Angst vor ihm, Gott, selbst. Nur, und das wissen wir alle auch, es gibt immer wieder Zeiten in unserem Leben, in denen dieser Glaube bei uns ins Wanken gerät.

Zeiten, in denen wir das Gefühl haben, dass Gott sich nicht genügend um uns kümmert; Zeiten, in denen wir Zweifel haben an seiner Gerechtigkeit oder sogar grundsätzlich an seiner Existenz überhaupt.

„Wer richtig glaubt, der zweifelt nicht,“ hielt mir einmal ein Gesprächspartner entgegen, als ich mich ihm gegenüber dazu bekannte, dass mir bei meinem Glauben die Erfahrung von Zweifel nicht unbekannt ist.

Aber wenn wir gerade unter diesem Gesichtspunkt „Glaubenszweifel“ einmal die Texte der Bibel betrachten, stellen wir sowohl im Alten wie im Neuen Testament immer wieder fest, dass ganz offensichtlich Gottesglaube und Zweifel ganz eng zusammengehören, so eng, dass ich den vorhin zitierten Satz am liebsten sogar umkehren würde in: „Wer nicht zweifelt, glaubt nicht richtig.“

Wobei auffällt, dass es in unserem Leben beide gibt: Zeiten, in denen wir uns Gott näher oder eben auch wieder ferner fühlen; Zeiten, in denen es uns leichter fällt, Gott zu vertrauen, und dann wieder Zeiten, in denen uns dieses Gottvertrauen weniger gelingt oder eben auch weniger interessiert.

Gerade in den schwierigeren Zeiten unseres Lebens, wenn es bei uns nicht so läuft, wie wir es gerne hätten oder wie wir es uns so vorgestellt haben, wenn Leid, Krankheit, Enttäuschung oder Trauer unsere Hoffnungen und Wünsche, unsere Zukunft in Frage stellen, gerade in solchen Zeiten ist unser Glaube, ist unsere Glaubensfähigkeit besonders herausgefordert oder wird sie uns fragwürdig, kämpfen in uns drinnen die Gedanken und die Gefühle von Gottvertrauen auf der einen und von Zweifeln auf der anderen Seite miteinander.

Diese Spannung kannte offensichtlich auch der Beter des 73. Psalms und er bezeugt uns zugleich, wie er es schafft, diese Spannung auszuhalten bzw. zu auflösen:

Dennoch, sagt er, dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Psalm 73, 23+24

Dennoch, trotz all dem, was sich mir entgegenstellt oder mir an Schwerem widerfährt, trotz all dem, was mir meinen Glauben in Frage stellt, halte ich an dir, Gott, fest!

Und dann begründet er dieses Festhalten an Gott mit drei grundlegenden Glaubensbildern und lädt uns zugleich dazu ein, uns in diese Glaubensbilder hinein zu denken, in sie hinein zu finden und sie uns so anzueignen:

„denn du hältst mich bei meiner rechten Hand“

Glaube bedeutet: Sich von Gott gehalten fühlen – für jeden Menschen, der sie einmal gemacht hat, eine wunderschöne Glaubenserfahrung. Aber der Psalmist erweitert sie noch durch eine bildhafte Überhöhung: Du hältst mich bei meiner rechten Hand. Und was das von Gott her für uns Großartiges bedeutet, verstehen wir erst, wenn wir uns daran erinnern, dass die meisten von uns Rechtshänder sind, rechts also die Hand ist, mit der wir agieren, mit der wir arbeiten, tätig werden.

Und ausgerechnet an dieser Hand hält uns Gott fest. Für mich seine tröstliche Zusage: Du kannst und du brauchst nicht alles zu machen und zu können. Lass mich mal! Halt dich an mir fest und vertraue mir!

„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird´s wohl machen.“

Glaube bedeutet konkret: Wir müssen nicht die großen MacherInnen unseres Leben sein. Es reicht, dem zu vertrauen, der der Macher unseres Lebens ist. Und noch etwas dazu: Dass er uns bei unserer rechten Hand hält, verhindert zugleich auch, dass wir in schwierigen Situationen unseres Lebens weder in unüberlegten Aktionismus verfallen noch in Resignation; im Gegenteil: dass wir von ihm gehalten ruhig werden und aus dieser Ruhe heraus dann auch bedacht agieren können. Und eng dazu gehört das zweite Bild:

„du leitest mich nach deinem Rat“

Das ist eine weitere Grunderfahrung des Glaubens, dass Gott uns auch dort noch Wege weiß und weist, wo wir für uns keine mehr sehen; dass er uns nach seinem Rat, seinem Ratschluss leitet, und das heißt dann konkret entweder durch das Wort der Bibel oder durch seine oft wunderbare Begleitung, bei der er sich aller und allem bedient, um uns seine wohltuende, tröstliche Nähe zu uns erfahrbar zu machen, was oft mit dem Begriff „Engel“ bezeichnet wird oder von Dietrich Bonhoeffer mit der Bezeichnung „gute Mächte“ versinnbildlicht wurde: „Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Oft erkennen wir erst im Rückblick, wo Gott bei uns am Werk war und nach seinem Rat geleitet hat.

Und dann schließlich die aufbauende, Mut machende Glaubensgewissheit:

„du nimmst mich am Ende mit Ehren an“

Eine unglaubliche Zusage: Gott wird uns am Ende mit Ehren annehmen! Das heißt: Wir müssen uns vor unserem Ende nicht fürchten. Weil es für uns bei Gott ein gutes Ende nehmen wird.

Paul Gerhardt verdichtete diese Zusage Gottes einmal so: „Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht!“

Egal, wie erfolgreich wir waren mit unserem Glauben, egal, welchen Zweifeln und Anfechtungen dieser Glaube auch immer ausgesetzt gewesen sein mag: Gott wird uns schlussendlich mit Ehren annehmen.

Unglaublich: Gott ehrt uns. Wir genießen seine Wertschätzung, und das auch egal, was unsere Mitmenschen von uns und unserem Glauben denken und halten. Und er will, dass wir in gleicher Weise uns gegenseitig ehrend, wertschätzend, ermutigend miteinander umgehen.

Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Psalm 73, 23+24

Unter diesem Vorzeichen dürfen wir unser Leben mit alldem, was dazugehört, mit all seinen Licht- und Schattenseiten annehmen, wagen, gestalten und dann eben auch dankbar mit einstimmen in die abschließenden Worte des Psalmisten:

Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den HERRN, dass ich verkündige all dein Tun. (Psalm 73,28).

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