Sie lassen mich nicht los,
diese Bilder von Passagierflugzeugen,
die grausam zur Waffe umfunktioniert
todbringend hineinprallen in die beiden Türme,
das Zentrum weltweiter Wirtschaft,
die Wahrzeichen menschlichen Könnens,
einen Feuerball auslösend,
Qualmwolken überall
und Menschen an Fenstern
gefangen in auswegsloser Situation,
hinter sich und vor sich den Tod.
Die verzweifelten Schreie
der von unten Zuschauenden,
immer wieder: „Oh my God!“
Die Panik auf den Straßen.
Vor Schrecken erstarrte Gesichter.
Das Pentagon im Flammen,
ebenfalls getroffen
von einer mit Menschen gefüllten Bombe –
das Zentrum amerikanischer Sicherheit
der Unsicherheit preisgegeben.
Und das Außenministerium
nach der gewaltigen Explosion einer Autobombe.
Ein Horrorscenario –
von Menschen bewusst geschaffen
um Angst und Schrecken zu verbreiten
um zu diffamieren:
„Seht, so viel wert ist eure Sicherheit.“
Und dann der Einsturz des Turmbaus
Ein in sich zusammensinkender Sarg für Tausende,
gewaltige Staubwolken verursachend,
vor denen Menschen schreiend davonlaufen
ohne ihnen entkommen zu können
alles mit Staub zudeckend,
so als ob die Katastrophe selbst
sich unsichtbar machen wollte.
Ungläubig sah ich sie zuerst, diese Bilder.
Das kann nicht möglich sein!
Und dann immer wieder dieselben Bilder
Stunde um Stunde
Unausweichlich
Nicht einmal fassungslos,
nicht einmal unfähig zu begreifen
gelingt es,
der Wirklichkeit zu entkommen.
Wer kann so etwas nur planen
Und dann auch noch tun?!
Was passiert noch alles?
Sind noch mehr Flugzeuge entführt?
Niemand weiß es so richtig.
Es herrscht Chaos.
Wird sich jemand des Chaos bemächtigen,
es zu seinen Gunsten ausnützen?
Und dann nach vielen Stunden
Die Ruhe des Todes und der Vernichtung.
Krampfhaftes Suchen nach Überlebenden.
Spekulationen über die Täter
Telefonate der Todgeweihten mit ihren Angehörigen
Unglaubliches ist geschehen.
Unglaubliches Leid über das amerikanische Volk gekommen
Und über die Welt,
die am Dienstag nicht nur exemplarisch,
sondern selbst im Innersten getroffen wurde.
Dunkle Erfahrungen, Dunkelheit in uns drinnen.
Zu ihr dürfen, zu ihr müssen wir stehen
Wir müssen sie zulassen bei uns selbst,
um zu unserer Trauer,
zu unserer Bestürzung,
zu unseren Ängsten hinabzufinden.
Finsternis lässt sich nicht überwinden,
indem wir sie negieren,
verdrängen,
überspielen.
Vielleicht hilft uns die Musik,
sie anzunehmen, zuzulassen
um sie so auch herauszulassen.
Vielleicht hilft es uns dabei,
wenn wir während der Musik
nach vorne zum Altar gehen,
um ein Licht zu entzünden
für die Toten und die Lebenden dort.
Denn das Licht, das wir andern geben,
leuchtet auch für uns.
MUSIK – KERZENENTZÜNDEN
Aus tiefer Not schrei ich zu dir –
Gott sei Dank sind wir nicht nur auf uns selbst angewiesen
Und das nicht nur in dieser Situation.
Doch was nützt Gott,
wenn er das alles zuläßt?
Wenn er zuläßt,
was wir zulassen?
Gott will für uns das Leben.
Dafür hat er uns ausgerüstet
Mit Verstand und Gefühl
Mit dem, was wir können,
und mit dem,
dass wir wissen, was wir nicht dürfen
Und er gab uns die Freiheit, uns zu entscheiden.
Wie schwer muss es für ihn sein,
immer wieder miterleben zu müssen,
wie wir Menschen seine Gaben zum Guten einsetzen,
um Böses zu tun.
Im Großen wie im Kleinen.
Ob für Gott der vergangene Dienstag ein Tag der Trauer ist?
Ich denke ja.
Denn wenn der Mensch zerstört,
was Gott in Liebe ins Leben gerufen hat,
wird er um seiner Liebe willen deshalb leiden.
Wozu ein Gottesdienst in dieser Situation?
Weil der, der auch uns
in Liebe ins Leben gerufen hat,
gerade in solch einer Situation für uns da ist,
um uns in unserer Trauer,
Verwirrung,
Klage,
um uns in unserer ganzen Verunsicherung
ernst- und anzunehmen,
um uns das Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln
„Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir.“
Und wie soll es dann weitergehen?
„Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten;
Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“
Die Saat der Gewalt hatte grausame Früchte
am vergangenen Dienstag.
Und schon wird vielerorts über Gegengewalt nachgedacht.
Aber Hass ist genauso wie Angst ein schlechter Ratgeber.
Was der Mensch sät, das wird er ernten.
Es gilt zu suchen nach dem,
was dem Frieden dient.
Samen des Friedens,
etwa ein Gottesdienst wie dieser heute
oder die vielen sonst auf der Welt
Sensibilität für Ungerechtigkeit,
und eben nicht nur dann,
wenn sie mich selbst betrifft
Bereitschaft und Engagement für die Gemeinschaft,
in der wir leben
statt individualistischer Egoismus.
Lernbereitschaft für Barmherzigkeit
und Güte
im Umgang miteinander.
Augen, die liebevoll ansehen,
Ohren, die liebevoll zuhören,
Münder, die liebevolle Worte finden
Und Hände, die zu liebevoller Umarmung fähig sind.
Dazu möge uns Gott Kraft und Mut
und Ausdauer geben,
gerade auch jetzt.
Samen des Friedens,
Samen der Hoffnung.
Und dann eben auch:
„Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten;
Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“
Deshalb habe ich Hoffnung.