Mit dem Pfingstereignis, mit der Gabe des Heiligen Geistes an die Apostel, mit der Pfingstpredigt des Petrus und mit der darauf folgenden ersten Taufe von, wie es heißt, etwa 3.000 Menschen begann die Geschichte unserer christlichen Kirche, eine Geschichte mit manchen Höhen und vielen Tiefen, eine Geschichte geprägt von viel Unterdrückung und wenig Befreiung, eine Geschichte der Aufspaltung der Kirche Jesu Christi in unterschiedliche Konfessionen und der sich daraus ergebenden gegenseitigen Bevormundung, eine Geschichte übrigens, die wir ChristInnen aller Konfessionen gemeinsam zu vertreten, für die wir Gott gemeinsam um Vergebung zu bitten haben. Denn er hat uns diese Kirche durch die Zeiten hindurch erhalten. Wäre sie allein Menschenwerk, dann würde sie gewiss schon längst nicht mehr existieren! Aber im wahrsten Sinne des Wortes Gott sei Dank gibt es sie nach wie vor. Weil die Kirche „Opus Dei“ , Gottes Werk ist!
Und es gibt gewiss keinen geeigneteren Zeitpunkt für ein ökumenisches Zur-Besinnung-Kommen als eben an Pfingsten, dem, so könnte man sagen, Geburtstag unserer Kirche.
Zugegeben, es hat Zeiten gegeben, in denen solche Gelegenheiten ungenutzt verstreichen mussten, weil der Blick auf das eigene Kirchesein, weil die Auseinandersetzung mit der eigenen konfessionellen Identität uns wichtiger war als das gemeinsame Bekenntnis der Christenheit zu dem uns über alle Unterschiede hinweg einenden einen Gott. Aber in den zurückliegenden Jahren ist vieles bei uns in Bewegung gekommen, ist vieles möglich geworden, was über Jahrhunderte hinweg unmöglich erschien.
Auch wenn manche unter uns oder in unserem Umfeld das in der Ökumene bisher Erreichte für noch viel zu wenig halten, sollten wir zunächst einmal dankbar sein für all das, was bis jetzt bereits neu gewachsen ist, um zuversichtlich weiter voran zu gehen und nicht nachzulassen, mutig „ökumenische Trampelpfade“ zu schaffen, die sich dann künftig einmal in leichter begehbare Wege für alle verwandeln werden.
Dabei sollten wir uns leiten lassen von Gottes Heiligem Geist, mit dessen Hilfe wir alle seit Pfingsten rechnen und um den wir alle Gott bitten dürfen.
Im 2. Timotheusbrief heißt es von diesem Geist:
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Ein guter ökumenischer Wegweiser, der uns daran erinnert, wes Geistes Kinder wir sind:
- Der Heilige Geist ist kein Geist der Furcht.
Ein deutlicher Hinweis: Wo die Angst unsere Ratgeberin ist, da fehlt er bei uns, der Heilige Geist! Wo wir Konfessionen Angst um unsere Macht oder Vormacht haben, wo wir fürchten, unsere eigenen Pfründe oder unseren Einfluß zu verlieren aufgrund unserer Bereitschaft zu ökumenischer Offenheit, wo wir uns gegeneinander abschotten aus Angst davor, Eigenes, uns Wichtiges in der Begegnung und im interkonfessionellen Gespräch verlieren zu können, da herrscht bei uns ein ganz anderer Geist als eben dieser Heilige Geist.
„O komm, du Geist der Wahrheit!“
Wenn wir diese Pfingstbitte ernst meinen, dann müssen wir ihn auch wirklich hereinlassen bei uns, den Heiligen Geist, und zulassen, dass er bei uns in der Kirche die Geister vertreibt, die nicht von Gott sind.
- Der Heilige Geist ist ein Geist der Kraft.
Die Schwäche der christlichen Kirche ist nicht zuletzt auch das Ergebnis des Kräfteverschleißes aufgrund der vielen innerkirchlichen Auseinandersetzungen und Rechthabereien. Wie viel Kraft ging und geht uns noch immer dadurch verloren und vor allem wie viel Glaubwürdigkeit!
Es geht gewiss nicht darum, dass wir überall dieselben Meinungen vertreten müssen, – gerade deshalb ist für mich die Vielzahl der Konfessionen die logische Folge der nach wie vor bestehenden Einheit der Kirche! – es geht darum, dass wir dort, wo unser gemeinsames Bekenntnis uns verbindet, nun eben auch gemeinsam und eindeutig an die Öffentlichkeit treten, um dies nun auch miteinander zu vertreten, statt jede für sich und möglicherweise sogar noch die eine gegen die andere. In der Gemeinsschaft liegt die Kraft! Das gilt auch für die Kirche Jesu Christi und ihr Zeugnis in der Welt. Trotz mancher wichtiger Fortschritte machen wir es den anti- und außerkirchlichen Kräften in unserer Welt noch immer viel zu leicht, uns gegeneinander auszuspielen.
- Der Heilige Geist ist ein Geist der Liebe.
Das Pauluswort „Alle eure Dinge lasset in der Liebe geschehen“ gilt auch für den Umgang der ChristInnen unterschiedlicher Konfessionen miteinander: Einander liebevoll anzunehmen, so, wie wir sind, und nicht erst, wenn wir so geworden sind, wie wir von einander erwarten, dass wir sein sollten, einander als gleichberechtigte ChristInnen ernst zu nehmen und uns eben auch gegenseitig das Gefühl des Ernstgenommenseins zu geben; das gehört nicht nur zu den beglückendsten ökumenischen Erfahrungen, sondern ist zugleich auch das überzeugenste Zeugnis für unser Christsein. Jesus selbst sagt zum Abschluß der Fußwaschung zu seinen Jüngern: „Daran wird jedermann erkennen, daß ihr zu mir gehört, wenn ihr einander lieb habt.“
Möge der Geist der Liebe noch mehr Raum bei uns einnehmen dürfen, als er das bisher schon getan hat!
- Der Heilige Geist ist ein Geist der Besonnenheit.
Und gerade diese brauchen wir in der ökumenischen Bewegung ganz nötig. Dass wir uns gegenseitig nicht überfordern in dem, was wir voneinander erwarten; dass wir geduldig bleiben, uns füreinander einen langen Atem bewahren.
Nicht, dass wir uns gegenseitig nicht drängen sollten, denn ohne Drängen kommt kaum etwas in Bewegung. Aber Besonnenheit ist vor allem auch die Frucht gegenseitigen Vertrauens, und es ist gut, dass dieses gegenseitige Vertrauen bei uns spürbar und sichtbar zugenommen hat.
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Wo wir diesem Geist Gottes bei uns Raum geben, wo wir zulassen, dass er bei uns, in uns und durch uns wirkt, da wird er uns frei machen, befähigen zu einen ganz neuen Miteinander als Kirche Jesu Christi, das darin zeugnishaft sichtbar wird,
- dass wir noch mutiger aufeinander zugehen,
- dass wir noch entschiedener füreinander einstehen,
- dass wir noch verständnisvoller miteinander umgehen
- und dass wir noch herzlicher uns aneinander freuen können.
Es ist ein guter Weg, auf dem wir uns gemeinsam befinden.
Lasst ihn uns voller Hoffnung nun auch gemeinsam fortsetzen!
Gott gebe uns dazu seinen Geist!