Der Kämmerer aus Äthiopien und Philippus – eine faszinierende Geschichte über die erste Begegnung eines Afrikaners mit dem Christentum. Faszinierend deshalb, weil dieser Kämmerer eine ganz andere Erfahrung mit einem Christen gemacht hatte als viele Jahrhunderte später die Völker Afrikas mit den meisten ihrer christlichen Missionare. Auch wenn diese Missionare es damals im angehenden 19. Jahrhundert nicht besser gewusst haben mögen, so hat ihnen doch vor allem die Achtung vor den Afrikanern, vor ihren Lebensweisen, Bräuchen und Traditionen gefehlt – eine leidvolle Geschichte, in der unter dem Vorzeichen des Christentums die Menschenwürde vieler Generationen mit Füßen getreten wurde.
Eine der ersten Maßnahmen der Missionare in Afrika, so wird berichtet, war das Verbot der Trommeln im Gottesdienst mit der Begründung, dies sei ein heidnischer Brauch, der mit Geisterbeschwörung oder so zu tun hätte. Das ihnen, den Europäern Unbekannte wurde rein prophylaktisch einfach verboten, statt es, was grundsätzlich ja auch möglich gewesen wäre, zu integrieren. Eben weil der Respekt fehlte vor der Andersartigkeit des Anderen.
Dabei ist das Trommeln für Afrikaner, ich möchte es einmal so nennen, „die Sprache der Seele“, das zum Ausdruck Bringen ihrer Gefühle, ein Rhythmus, der mit den Hörenden kommuniziert, sie in das eigene Empfinden mit hinein nimmt und so mit ihnen Gemeinschaft schafft.
Aber nun zurück zur Erfahrung des Kämmerers. Offensichtlich war seine Reise nach Jerusalem wenig erfolgreich gewesen. Gekommen war er, um dort den Gott Israels, von dem er wohl im fernen Afrika gehört hatte, anzubeten. Aber am Vorhof des Tempels war Schluss mit diesem Plan. Als einem Dunkelhäutigen und dadurch offensichtlichen Nichtjuden wurde ihm der Zugang zum Tempel verwehrt.
Noch heute, fast 2000 Jahre später, begegnen Menschen mit anderer als weißer Hautfarbe in unserer sonst so aufgeklärten Gesellschaft so manchem Argwohn und Misstrauen, so mancher Ablehnung, und dies nicht, wie wir gerne glauben machen, nur durch die Neonazis, sondern viel allgemeiner, oft mehr im Verborgenen, eher recht subtil.
Für Philippus schien dies alles keine Rolle zu spielen.
Ganz offensichtlich hatte er keine Berührungsängste mit dem dunkelhäutigen Fremden auf dem Reisewagen. Und im Folgenden lässt sich erkennen, dass sein ganzes Auftreten jenem Unbekannten gegenüber für uns wahrlich beispielhaft ist dafür, wie wir in guter Weise im täglichen Leben anderen, vor allem Fremden begegnen könnten.
Der Kämmerer, so hört Philippus, liest in einer Schriftrolle, offensichtlich ohne zu verstehen, was er da liest. Das hätte Philippus ja auch egal sein können. Ohne dem Anderen seine Hilfe aufzudrängen, signalisiert er ihm, dass er diese für den Anderen missliche Situation wahrgenommen hat. Damit lässt er ihm die Möglichkeit, nun selbst zu bestimmen, wie es nun weitergehen soll. Er überlässt dem Kämmerer die Initiative.
Wie oft übernehmen wir vorschnell beim Helfen die Initiative, ohne uns zu vergewissern, ob der andere unsere Hilfe überhaupt will. Was übrigens oft auch dazu führt, dass dieser sich dadurch nur noch hilfloser, noch weniger wert fühlt.
Der Kämmerer fordert Philippus auf, zu ihm auf den Wagen zu steigen. Und der tut dies nun auch.
Aber er fängt dann eben nicht sofort an, den Kämmerer zu belehren, ihm zu zeigen, dass er mehr weiß als dieser, sondern er wartet, bis dieser ihn konkret fragt, was er wissen will.
Da erst erzählt Philippus ihm ausgehend vom Prophetenwort von Jesus und von dessen Botschaft von der Liebe Gottes, die alle Menschen einschließt. Philippus missioniert, er berichtet von seinem Glauben, von dem, was ihm wichtig ist. Aber er tut dies, ohne den anderen zu bedrängen. Ohne ihn für seine missionarischen Ziele zu instrumentalisieren. Aber auch ohne ihm zu verschweigen, worin sein persönlicher Glaube an Jesus Christus besteht.
Und nicht er macht dem Kämmerer den Vorschlag, sich taufen zu lassen, sondern dieser Wunsch kommt vom Kämmerer selbst.
Wie oft meinen wir, für andere entscheiden zu müssen, was für diese wichtig und richtig ist, statt ihnen selbst diese Entscheidung zu überlassen. Dies hat sehr direkt mit Achtung und Selbstachtung zu tun, mit der Achtung, die wir einem Menschen entgegenbringen, und mit seiner Selbstachtung, die mit der ihm zugestandenen Entscheidungsfreiheit wächst.
Und noch ein Letztes. Philippus hat durch sein sich auf diesen Menschen Einlassen das Leben dieses Kämmerers vollkommen verändert. Und dann verschwindet er förmlich aus dessen Leben. Er setzt sich nicht bei ihm fest, um in irgendeiner Weise von dessen Gesinnungswandel zu profitieren oder Macht über ihn auszuüben. Er hat ihn in einer wichtigen Phase seines Lebens begleitet und gibt ihn dann frei, damit dieser sein Leben leben kann.
Wie oft war, ja ist auch heute noch die Folge von Mission und Hilfe die Abhängigkeit der „Missionierten“ von ihren Wohltätern. Und wie oft in der Geschichte wurde dann diese Abhängigkeit von den Wohltätern zu ihrem eigenen Vorteil missbraucht, auch und gerade in Afrika.
Die Geschichte von der Begegnung des Kämmerers aus Äthiopien mit Philippus, dem Apostel, ist eine faszinierende Geschichte, weil sie uns am Verhalten des Philippus erkennen, ja lernen lässt, was es bedeutet, Achtung vor einem anderen Menschen mit seiner Andersartigkeit zu haben, und wie das Gefühl, geachtet zu werden, Menschen verändern, befreien kann.
Dies gilt übrigens nicht nur für andere, sondern auch für uns selbst. Auch uns ermutigt und befreit die Achtung, die andere uns entgegen bringen.
Was aus dem Kämmerer wurde?
Es heißt nur noch: Von Freude erfüllt setzte er seine Reise fort.
Was kann einem Menschen Besseres widerfahren?
Diese Predigt wurde übrigens bei einem Afrika-Gottesdienst anlässlich eines African Music Festivals in Emmendingen gehalten.
Das Foto zu diesem Beitrag wurde mir von meiner Frau Gabriele Metzger zur Verfügung gestellt.