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Was ist „gut“? – Micha 6 Vers 8

     

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott von dir fordert! Micha 6,8a

Was ist es denn, was Gott von uns fordert?

Der Prophet Micha würde zunächst einmal auf diese Frage antworten: Das, was „gut“ ist. Gott fordert von uns Menschen, „was gut ist“.

Nur, was ist denn „gut“?

Bei Wilhelm Busch lautete die Antwort:

„Das Gute, dieser Satz steht fest,

Ist stets das Böse, das man lässt.“

Das klingt im ersten Moment sehr einleuchtend. Aber erstens geht es bei „gut“ um mehr als nur um etwas, was getan oder eben nicht getan werden soll. Und zweitens muss nicht alles, was „nicht böse“ ist, deshalb zugleich auch „gut“ sein.

Aber: Was ist dann „gut“?

Wenn jemand eine „gute“ Idee hat, dann bedeutet „gut“ hier vielleicht eher einsichtig, innovativ, zum Nachdenken anregend.

„Gut“ war ein Mensch, der die deutschen Tugenden Ordnung, Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit verinnerlicht hatte und lebte.

„Gut“ ist eine Mitarbeiterin, die den Erwartungen ihres Arbeitgebers entspricht.

„Gut“, so höre ich auch immer wieder, „ist, was mir persönlich nützt; was mich nach vorne bringt; was es mir ermöglicht, mich selbst zu verwirklichen.“

Oder genau im humanistischen Gegensatz dazu: „Gut“ ist das, was der Gesellschaft, was der Menschheit nützt und dient, was sie weiterbringt, wovon dann möglichst viele Menschen profitieren können. „Das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl von Menschen“. So hat es ein englischer Philosoph vor etwa 200 Jahren einmal ausgedrückt.

Aber was ist das, was Gott von uns fordert, was vor Gott „gut“ ist?

Die überraschende Auskunft des Propheten Micha lautet. „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist…“

Da handelt es sich also zunächst einmal nicht um etwas Neues, was uns da gesagt werden müsste. Vielmehr erinnert er uns an das, was uns bereits gesagt wurde und was uns deshalb schon längst bekannt ist. Er erinnert uns an das, was sich immer wieder aufs Neue seit damals zur Zeit des Propheten als „gut“ vor Gott bewahrheitet hat in den Glaubenserfahrungen seines Volkes Israel bis hin zu unseren Glaubenserfahrungen heute.

Ihnen, uns ruft er in Erinnerung: „Ihr wisst es doch eigentlich schon, was von Gott her gesehen „gut“ und auch, was „nicht gut“ ist, und was er deshalb auch von Euch einfordert!“

Nach jüdischer Tradition gibt es neben den 10 Geboten in ihren bei uns Altes Testament genannten heiligen Schriften 613 Vorschriften (hebr.: Mizwot), und zwar 365 Verbote (entsprechend der Zahl der Tage im Jahr) und 248 Gebote ( entsprechend der Zahl der einzelnen Glieder im menschlichen Körper).

„Ihr wisst es doch eigentlich …!“ Wer außer den Priestern konnte schon diese Fülle von dem, was „Gott von ihnen einfordert“, kennen geschweige denn einhalten.

Deshalb gab es immer wieder Bemühungen, diese Vorschriften in kurzer Form zusammen zu fassen. Dem Propheten Micha gelang dies mit drei Forderungen:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Micha 6,8

Was also ist „gut“?

Zum einen dies: Gottes Wort halten, oder, wie es eigentlich richtiger übersetzt wäre: Das Recht leben. Gott hat uns sein Recht kundgetan – durch sein Wort. Dieses Wort spricht zu uns im Zeugnis der Bibel. Durch dieses Wort erhalten wir Orientierung, Mahnung und Wegweisung. Wer ihm entsprechend lebt, lebt das Recht, lebt das, was vor Gott Recht ist. Und es gibt für uns einen, dem dieses Wort Gottes, dem dieses Gottes-Recht-Leben in Fleisch und Blut übergegangen ist, und das ist Jesus von Nazareth. Er hat „Gottes Wort“ gelebt bis hin zu seiner letzten Konsequenz, dem Tod am Kreuz. Deshalb wird er im Johannesevangelium auch als „Gottes Fleisch gewordenes Wort“ (= Inkarnation) bezeichnet.

Mit seiner Verkündigung in Wort und Tat hat er uns vorgelebt, was „gut ist und was Gott von uns fordert“. Er hat uns durch sein Leben bezeugt, was es bedeutet, so zu leben, wie es vor Gott Recht ist – in Bezug auf uns selbst, in Bezug auf unsere Mitmenschen und in Bezug auf die gesamte Schöpfung. Dabei hatte für ihn eines eine ganz zentrale Bedeutung, und das ist zugleich die zweite Forderung des Propheten Micha:

Gottes Wort/Gottes Recht leben bedeutet in letzter Konkretion: Liebe üben. Liebe verwirklicht sich im konkreten Handeln. Liebe ist dabei eine innere Grundhaltung des Menschen, die sich auswirkt in seiner Fähigkeit, die Welt, seine Mitmenschen, sich selbst liebevoll anzublicken und sich liebevoll zu begegnen mit Worten und mit der Tat. Die Liebe ist es, die uns im anderen den ebenfalls von Gott geliebten Menschen erkennen lässt, dem wir genau dadurch zum Nächsten werden, ob uns dies nun so passt oder nicht.

Diese Sichtweise wird unsere Begegnungen verändern, weil sie uns hilft, dafür einzutreten, dass die Würde eines jeden Menschen geachtet wird und weil sie uns dazu herausfordert, uns jeder Form von Entwürdigung, Ausgrenzung, Diskriminierung, Zwang, Unrecht, Verachtung zu verweigern, sie zu denunzieren und gegen sie nach bestem Wissen und Gewissen Widerstand zu leisten.

„Gut“ ist nach Micha zum Dritten, demütig sein vor Gott.

„Demütig“ hat für uns in unserem Sprachempfinden zugegebenermaßen einen recht negativen Beigeschmack. Wir denken entweder an „Demütigung“, eine Erfahrung, der wir nie ausgesetzt sein wollen, weil sie zutiefst unsere Ehre, unser Selbstwertgefühl, unsere Würde verletzt. Oder wir denken an das Verb „demütigen“, das diese verletzende Verhaltensweise anderen Menschen gegenüber beschreibt und deshalb von uns abgelehnt wird.

„Demütig sein vor Gott“ hat mit all dem überhaupt nichts zu tun, sondern vielmehr mit dem Begriff „Ehrfurcht“.

Ehrfurcht vor Gott sollen wir empfinden. Dabei geht es hier ganz einfach um unsere Bereitschaft, den Unterschied anzuerkennen, der zwischen Gott und uns besteht. Er ist der Schöpfer, wir seine Geschöpfe. Er braucht uns nicht, aber wir brauchen ihn. Auch wenn wir es immer wieder meinen: Wir werden ihm nie gleich sein können. Und doch hat er sich an uns gebunden – in Liebe, um uns zum Leben zu helfen.

„Demütig sein“, was das bedeutet, wird am leichtesten verständlich, wenn wir und daran erinnern: Das Gegenteil von „demütig sein“ ist „hochmütig sein“. Hochmütig sein gegenüber Gott würde bedeuten, zu meinen: Ich brauche Gott nicht für mein Leben. Ich komme schon gut selbst zurecht. Ich muss auch nicht auf seine Regeln achten, weil ich meine eigenen Regeln habe. Und abgesehen davon: Ich weiß schon selbst, was für mich gut und wichtig ist. Dazu brauche ich keinen Gott.

Der Prophet Micha erinnert uns daran, wie wichtig es für uns ist, dass wir unser Leben an Gott, an seinem Willen, an seinem Wort ausrichten, damit es gelingt und damit es für uns und unsere Mitmenschen zum Segen werden kann:

Indem wir Gottes Wort und Gottes darin zum Ausdruck kommendes Recht achten und mit Leben erfüllen; indem wir die Bereitschaft zu lieben einüben und praktizieren, gerade auch den Menschen gegenüber, die dies unserer Meinung nach am wenigsten verdient hätten; und indem wir anerkennen, dass Gott über uns steht und dass wir von ihm den Auftrag haben, seiner Schöpfung zu dienen zu deren Wohl und zu seinem Lob.

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