Ich halte es für vermessen, die Verantwortung für unser Leiden ursächlich Gott zuzuschieben.
Desgleichen halte ich es für theologisch unverantwortlich, zu behaupten, dass Gott uns – zumal noch aus pädagogischen Gründen, damit wir daraus etwas für unser Leben lernen, oder noch schlimmer, um uns zu strafen! – Leiden schickt und leiden lässt.
Wie sollte ich eine derartig zynische Botschaft z.B. Eltern gegenüber vertreten, deren 10 Tage altes Kind ich zu beerdigen habe?!
Ich glaube vielmehr, dass Gott uns gerade in unserem Leiden seine wohltuende Nähe schenkt und uns mit „seinen guten Mächten“ hilft, zu tragen, was für uns nicht oder auch nicht mehr zu tragen ist.
Außerdem: Für uns ist die Erfahrung von Leiden, selbst wenn sie uns schmerzhaft an unsere Lebensgrenzen führt im unausweichlichen Bewusstwerden unserer Ohnmacht, „lebensnotwendig“ in dem Sinne, dass sie unserem Leben und Erleben in jeder Hinsicht Tiefgang verschafft.
Denn wer bewusst durch Tiefen gegangen ist, erlebt das Normale und die Höhen anders!
Leiden verhindert in unserem Leben die uns unmündig haltende Oberflächlichkeit.
Nur, und das einzusehen ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig, auch diese Tatsache „rechtfertigt“ letztlich nicht die Erfahrung von Leiden.
Aber sie lässt uns die Dynamik erkennen, die das Leiden in unserem Leben frei zu setzen vermag.
Leiden gehört, daran wird niemand zweifeln, zu unserem Leben von Grunde auf dazu.
Wer es jedoch versucht zu verdrängen auf welche Art auch immer,
– und eine Art der Verdrängung scheint mir auch die Erklärung für leidvoller Erfahrungen in unserem Leben zu sein, „es war so halt Gottes Wille“! –
beraubt sich der Möglichkeit, sich aktiv mit seinem Leiden zu beschäftigen, auseinanderzusetzen, ja sogar mit ihm zu ringen (nicht ohne Grund fordert Jesus uns auf: „der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ Mt 16,24), um aus dieser echten und oft gewiss auch sehr schmerzlichen Erfahrung heraus Kraft, Reife und Tiefgang für sein künftiges Leben und Zusammenleben zu gewinnen.